05. Juli 2024: Im ersten Teil unserer dreiteiligen Reihe über generative Sprachmodelle in Schule und Unterricht haben wir uns mit ihren potenziellen Chancen und Risiken auseinandergesetzt. Um Möglichkeiten nutzen und Gefahren meiden zu können, müssen Schülerinnen und Schüler umfassende KI-Kompetenzen auf Basis eines KI-Curriculum entwickeln. Gleichzeitig bedarf es klarer und transparenter Regeln für den Einsatz von KI und LLMs im Unterricht. Um diese beiden Aspekte geht es im zweiten Teil dieses Leitfadens.
Mögliche Elemente eines KI-Curriculums
Das Ziel ist die Entwicklung einer „KI-Kompetenz“ als Schlüsselqualifikation für die digitale Welt. Konkret umfasst unser Vorschlag für ein KI-Curriculum fünf Ziele – mit Fokus auf Reflexion, praktische Anwendung, Kreativität und Verantwortung. So werden Lernende zu mündigen Gestaltern des digitalen Wandels.
- Reflektierte Haltung gegenüber KI entwickeln
Schülerinnen und Schüler setzen sich kritisch mit den Möglichkeiten und Grenzen von KI auseinander. Sie erkennen ethische Implikationen und hinterfragen KI-generierte Ergebnisse. Ziel ist eine differenzierte Sichtweise auf die Technologie, ohne unreflektierte Ablehnung oder Euphorie. - KI als Werkzeug zum Lernen nutzen
Lernende setzen KI gezielt ein, um ihr Verständnis zu vertiefen und Kompetenzen zu erweitern. Sie nutzen KI z.B. zur Recherche, zum Üben, für Feedback oder zur Veranschaulichung komplexer Zusammenhänge. KI unterstützt selbstgesteuertes, adaptives Lernen und ermöglicht neue Lernwege. - Zusammenarbeit und Kommunikation mit KI erlernen
Schülerinnen und Schüler üben die effektive Interaktion mit KI-Systemen. Sie formulieren präzise Anfragen, interpretieren Ergebnisse richtig und geben sinnvolles Feedback. Dabei trainieren sie auch allgemeine Kompetenzen wie präzise Kommunikation und Problemlösung. - Kreativität und Originalität beim KI-Einsatz zeigen
Lernende nutzen KI nicht nur passiv, sondern gestalten damit aktiv und kreativ. Sie entwickeln eigene Ideen, wie KI ihr Lernen und Arbeiten verbessern kann. Durch kreativen KI-Einsatz entstehen neue, originelle Lösungen und Produkte. - Verantwortungsvollen Umgang mit KI verinnerlichen
Die Auseinandersetzung mit KI sensibilisiert für Fragen von Fairness, Transparenz und Datenschutz. Schülerinnen und Schüler lernen Regeln für einen ethisch verantwortlichen Einsatz von KI. Sie entwickeln Werte und Haltungen für das Leben in einer zunehmend von KI geprägten Welt.
Ab welchem Alter sollen Schülerinnen und Schüler KI nutzen?
Vor dem Lernen mit KI, sollte ein Lernen über KI erfolgen. Wir glauben, dass sich der Informatikunterricht der 7. Klassen dafür eignet, Schülerinnen und Schülern grundlegende Kenntnisse über LLMs und KI zu vermitteln. In Übereinstimmung mit der SWK-Stellungnahme empfehlen wir ab Klasse 8 den aktiven Einsatz von LLMs im Fachunterricht: Die konkreten Einsatzszenarien im Unterricht werden aufgrund pädagogischer und didaktischer Eignung gewählt.
Voraussetzungen
Damit Schulen das Thema LLMs im Unterricht aktiv und gut vorbereitet angehen können, müssen sie ihren Schülerinnen und Schülern sichere und datenschutzgerechte Zugänge zu den entsprechenden Werkzeugen anbieten. Nur so können sie sicherstellen, dass sich alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen mit den Möglichkeiten und Herausforderungen dieser Technologien auseinandersetzen können. Die flächendeckende Verfügbarkeit solcher Zugänge ist letztlich auch eine Frage der Bildungsgerechtigkeit und trägt dazu bei, eine digitale Spaltung zu verringern.
Gleichzeitig bedarf es klarer und transparenter Regeln für den Einsatz von KI und LLMs im Unterricht. Diese sollten in enger Abstimmung mit allen Beteiligten – Lehrpersonen, Schülerinnen und Schülern, Eltern sowie der Schulleitung – entwickelt werden. Dabei gilt es, pädagogische, rechtliche und ethische Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen. Nur auf Basis solcher verbindlicher Richtlinien kann eine verantwortungsvolle Integration von KI in den Schulalltag gelingen.
Mögliche Regeln zur Nutzung von LLMs
- Keine Leistungsbewertung durch KI
KI-Systeme dürfen nicht zur Bewertung von Leistungen der Schülerinnen und Schüler eingesetzt werden. Die Beurteilung von Lernfortschritten und Kompetenzen muss in der Verantwortung der Lehrkräfte und nicht einer Maschine liegen. - KI-generierte Inhalte sind keine eigene Leistung
Texte von KI-Systemen wie ChatGPT zählen nicht als Leistung von Schülerinnen und Schülern, da sie nicht selbst erarbeitet wurden. KI-Tools können aber als Hilfsmittel dienen, wenn die Ergebnisse kritisch geprüft und mit eigenen Gedanken verbunden werden. - Transparenz bei der Nutzung von KI-Werkzeugen
Wenn Schülerinnen und Schüler KI-Tools nutzen, müssen sie dies klar kennzeichnen. Die Angabe der verwendeten Werkzeuge entbindet jedoch nicht von der inhaltlichen Verantwortung. KI-generierte Inhalte müssen immer kritisch hinterfragt werden und dürfen nicht einfach als richtig angenommen werden. - Schutz persönlicher Daten
Bei der Nutzung von KI-Systemen dürfen keine persönlichen Daten der Schülerinnen und Schüler eingegeben oder verarbeitet werden. Die Schule stellt sicher, dass die verwendeten Tools den Datenschutz beachten und die Privatsphäre schützen. - Ggf. Stichproben zur Überprüfung der KI-Nutzung
Lehrkräfte können die Nutzung der von der Schule bereitgestellten KI-Werkzeuge durch Schülerinnen und Schüler stichprobenartig überprüfen. So soll sichergestellt werden, dass die Technologie verantwortungsvoll genutzt wird und die Regeln eingehalten werden. Dies ist Teil der Aufsichtspflicht der Schule. Diese Regeln berücksichtigen den Datenschutz und die Verantwortung der Schule. Sie sollen eine sichere und sinnvolle Nutzung von KI im Unterricht gewährleisten, die die Rechte der Schülerinnen und Schüler achtet und gleichzeitig eigenständiges Lernen fördert.
Fazit und Ausblick
Zusammenfassend zeigt sich, dass die Integration von KI und LLMs im Unterricht erhebliche Potenziale bietet, aber auch klare Regeln und umfassende Kompetenzen erfordert. Das vorgeschlagene KI-Curriculum setzt hierbei auf eine reflektierte Haltung, praktische Anwendung, Kreativität und Verantwortung, um Schülerinnen und Schüler zu mündigen Gestaltern des digitalen Wandels zu machen.
Ein zentraler Aspekt für den Erfolg dieses Vorhabens ist die Fortbildung der Lehrkräfte. Schulinterne (Mikro-)Fortbildungen und die Multiplikation von Good Practices spielen eine entscheidende Rolle, ebenso wie der Zugang zu umfassenden Online-Ressourcen. Fachspezifische Lehrerfortbildungen sind notwendig, um die Lehrkräfte mit dem nötigen Wissen und den Fähigkeiten auszustatten, die sie für die effektive Nutzung von KI im Unterricht benötigen.
Darüber hinaus ist es wichtig, geeignete Organisationsformen für die Evaluation und Weiterentwicklung des KI-Curriculums zu wählen. Dies gewährleistet, dass das Curriculum kontinuierlich verbessert und an neue Herausforderungen und Erkenntnisse angepasst wird. Der nächste Schritt besteht darin, diese Ansätze im Unterricht umzusetzen und dafür zu sorgen, dass alle Beteiligten – von den Lernenden über die Lehrkräfte bis hin zu den Eltern – gemeinsam an einem verantwortungsvollen Umgang mit dieser Technologie arbeiten.
Im dritten und letzten Teil unseres Leitfadens werden wir uns mit einem konkreten Anwendungsbeispiel für die Nutzung von LLMs im Unterricht beschäftigen. Es geht um einen Lernmentor, den wir mit den KI-Tools des Edutech-Anbieters fobizz erstellt haben.
Sehr gern beraten und bilden wir Lehrerinnen und Lehrer der Schulen im Landkreis Esslingen rund um den Einsatz von KI fort. Kontaktieren Sie bitte bei Interesse unseren Mitarbeiter und KI-Experten Jan Hartwig.