
05. Dezember 2025: Generative KI ist längst im Alltag der Schüler*innen angekommen – aber wie lässt sie sich sinnvoll in den Unterricht integrieren, ohne dass es nur um „Spielereien mit Tools“ geht?
Im Kreismedienzentrum Esslingen haben wir ein Projekt erprobt, das historische politische Lieder des 19. Jahrhunderts mit moderner KI-gestützter Audioproduktion verbindet.
Die Idee: Lernende erschließen politische Lieder zunächst ganz klassisch als historische Quelle und lyrischen Text. Erst im zweiten Schritt nutzen sie eine Musik-KI, um daraus einen Song im heutigen Stil zu erzeugen – inklusive anschließender Reflexion darüber, wie sich die Botschaften dadurch verändern.
Im Kreismedienzentrum Esslingen sind im Zuge der Projektentwicklung bereits erste Medienprodukte entstanden, die exemplarisch zeigen, wie das Projekt klingen und aussehen kann:
Das Projekt in Kürze
Im Projekt „Politische Lieder des 19. Jahrhunderts im KI-Remix“ arbeiten Lernende mit historischen politischen Liedern (z.B. aus Vormärz und Revolution 1848/49), erschließen diese inhaltlich und setzen sie anschließend mit generativer KI in eine heutige musikalische Form um.
Der Fokus ist bewusst balanciert:
- fachlich: politische Botschaften, historische Kontexte, Sprache und Wirkung des Liedes
- medienpädagogisch: Chancen und Grenzen von Musik- und Video-KIs, bewusster Umgang mit KI-Tools
Der verpflichtende KI-Einsatz beginnt erst bei der Audioproduktion. Alles, was davor passiert – Texterschließung, historische Einordnung, Interpretationen – bleibt „klassische“ Unterrichtsarbeit. Der Einsatz von Text-KI (z.B. beim Vereinfachen schwieriger Passagen oder beim Formulieren von Prompts) ist optional.
Ziele des Projekts
Die Lernenden sollen:
- politische Lieder des 19. Jahrhunderts als historische Quelle und Ausdruck politischer Bewegungen verstehen,
- Methoden der Texterschließung und Interpretation anwenden,
- die Funktion von Musik und Liedern als Medium politischer Kommunikation damals und heute vergleichen,
- den Einsatz von Musik-KI (und optional Video-KI) erproben und reflektieren,
- im Team ein eigenes Medienprodukt (KI-Song, optional Musikvideo) planen, umsetzen und präsentieren.
Zielgruppe und Fächerbezug
Das Projekt richtet sich in erster Linie an Lerngruppen der Sekundarstufe II (Kursstufe / gymnasiale Oberstufe). Mit reduzierter Komplexität und klarer Strukturierung der Arbeitsschritte ist es aber bereits ab Klasse 8 gut durchführbar.
Fachlich andocken lässt es sich insbesondere an:
- Geschichte – Vormärz, 1848/49, Nationalstaatsbildung, politische Bewegungen
- Deutsch – Lyrik, Sprache als politisches Mittel, Textarbeit
- Musik – Funktion von Musik und Liedern, Stilmittel, heutige Musikformate
Ebenso geeignet ist das Projekt für fächerverbindende Formate, etwa als Projektkurs, Seminarkurs oder im Profilfach Medien / Musik / Gesellschaft.
Ablauf in Etappen
Der Ablauf ist bewusst schlank gehalten und kann je nach Zeitbudget (von wenigen Stunden bis zu Projekttagen) angepasst werden. Ein möglicher Grundaufbau:
1. Einstieg: Politische Lieder damals & heute
Kurzer Impuls zu politischen Liedern im 19. Jahrhundert und heutigen Protest-Songs. Gemeinsames Anhören einiger Beispiele und Sammeln erster Beobachtungen: Worum geht es? Wie wirkt die Musik? Wer soll erreicht werden?
2. Auswahl eines historischen Liedes
Die Lernenden wählen (aus einer vorbereiteten Auswahl) ein politisches Lied des 19. Jahrhunderts, z.B. über liederlexikon.de. Sie klären: In welchem historischen Zusammenhang steht das Lied? Wer spricht? Welche Botschaft steckt dahinter?
3. Texterschließung & Interpretation
Arbeit am Liedtext als historische Quelle und als lyrischer Text: Schlüsselbegriffe, Stimmung, Sprecherin, Adressatinnen, zentrale Aussagen. Optional können Text-KIs zur Unterstützung (z.B. beim Vereinfachen schwieriger Passagen) genutzt werden.
4. Übertragung in die Gegenwart
In dieser Konzeption bleibt der historische Liedtext unverändert. Die Lernenden überlegen, wie die Botschaft heute klingen würde, und entwickeln gemeinsam das Konzept für ihren Song (Genre, Tempo, Stimmung, Sprecher*in, Zielgruppe). Grundsätzlich denkbar ist auch eine behutsame Bearbeitung oder Aktualisierung der Texte – etwa in Ergänzungsstrophen oder Moderationsteilen.
5. Audioproduktion mit Musik-KI (Pflichtbaustein)
Der historische (ggf. leicht angepasste) Text wird mit einer Musik-KI, z.B. Suno (Text-to-Song), vertont. Die Gruppe entscheidet sich für einen passenden Stil (z.B. Rap, Pop, Rock, Elektro) und erprobt ggf. mehrere Varianten. Anschließend wird gemeinsam reflektiert:
- Passt die musikalische Umsetzung zur Aussage des Liedes?
- Welche Varianten wirken stimmig, welche eher verzerrend oder ironisch?
6. Optional: Musikvideo / Visualisierung mit Video-KI
Wenn Zeit, Infrastruktur und geeignete Plattformen verfügbar sind (z.B. im Rahmen von Projekttagen), kann der Song durch einfache KI-Videos oder eine Bildfolge ergänzt werden. Möglichkeiten sind u.a.:
- KI-generierte Sequenzen (z.B. mit Google Vids oder ähnlichen Tools),
- Standbilder, Collagen oder Texttafeln, die mit Schnittsoftware zu einem Musikvideo montiert werden.
7. Präsentation & Reflexion
Zum Abschluss werden die Ergebnisse vorgestellt – im Klassenverband, bei einem Schul- oder Medienabend oder auch online (z.B. auf der Schulwebsite oder im KMZ-Blog). Wichtig ist eine angeleitete Reflexion: Wie verändert KI die Wahrnehmung historischer Inhalte? Welche Chancen bietet sie für Motivation und Zugänge – und wo liegen Grenzen, etwa bei Urheberrecht, Authentizität und Verzerrungen?

Benötigte Tools und Materialien
Für die Durchführung des Projekts reichen in der Regel:
- Endgeräte für die Lernenden (Tablet, Laptop, PC) mit Kopfhörern
- Zugang zu Musik-Streaming oder Audio-Beispielen (zum Anhören historischer und moderner Lieder)
- eine Musik-KI zur Audioproduktion, z.B. Suno (Text-to-Song)
- optional: eine Video-KI zur Erstellung eines Musikvideos, z.B. Google Veo bzw. vergleichbare Tools
- einfache Schnittsoftware (z.B. iMovie, Clipchamp o.Ä.), falls Audio und Video kombiniert oder nachbearbeitet werden sollen
- Arbeitsblätter oder digitale Dokumente für Texterschließung, Ideensammlung und Reflexion
Die genannten Dienste sind Beispiele. Je nach schulischem Rahmen, Datenschutz-Vorgaben und vorhandener Infrastruktur können andere, vergleichbare Lösungen genutzt werden.
Zeitrahmen und pädagogische Hinweise
- Kurzvariante (mind. ca. 4 Unterrichtsstunden): Einstieg, Liedauswahl, Texterschließung, eine einfache Audioproduktion mit Musik-KI und kurze Präsentation.
- Erweiterte Variante: Vertiefte historische Recherche, kreative Textüberarbeitungen, mehrere KI-Versionen zum Vergleich, ausführliche Reflexion.
- Projekttage / Projektwoche: Ergänzung um Musikvideo-Produktion und Gestaltung eines Präsentationsformats (Ausstellung, Schulwebsite, Podcast, Blogbeitrag etc.).
- Pädagogische Hinweise: Die inhaltliche Arbeit am historischen Lied (Verstehen, Einordnen, Bewerten) sollte von den Lernenden getragen werden. KI kann unterstützen, sollte aber bewusst eingeführt und begleitet werden.
- Datenschutz & Accounts: Vorab klären, welche Dienste im schulischen Kontext genutzt werden dürfen und wie ggf. Accounts bereitgestellt werden können.
- Transparenz: Gemeinsam mit den Lernenden festhalten, an welchen Stellen KI zum Einsatz kam (z.B. in einem kurzen „Making-of“ oder in der mündlichen Präsentation).
- Reflexion ernst nehmen: Nicht nur das fertige Produkt feiern, sondern auch über Urheberrecht, Authentizität, mögliche Verzerrungen und gesellschaftliche Auswirkungen von KI sprechen.
Und jetzt?
Wer mit seiner Lerngruppe historische Inhalte kreativ bearbeiten und gleichzeitig einen reflektierten Umgang mit generativer KI anbahnen möchte, findet in diesem Projekt eine gut skalierbare Variante:
- niedrigschwellig in der Kurzvariante,
- vertiefbar bis hin zu Projekttagen oder Seminarkursen,
- anschlussfähig für Geschichte, Deutsch, Musik und fächerverbindende Formate.
Haben Sie Fragen zum Projekt und wünschen weitere Beratung? Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

