
13. März 2025: Ein zentraler Gedanke der Maker Education ist es, dass Kinder und Jugendliche eigene Ideen in konkrete Prototypen umsetzen. Dadurch entsteht eine starke Identifikation mit dem Projekt, was die Motivation und das Lernen nachhaltig fördert. Besonders Produkte, die eine konkrete Verwendung in der eigenen Lebenswelt haben – wie beispielsweise eine leuchtende Grußkarte – bieten ein hohes Maß an Sinnstiftung.
Gerade für beginnende Makerinnen und Maker sind zumindest teilstrukturierte Angebote wichtig, um erste Erfahrungen im kreativen Gestalten zu sammeln. Hier kann Storytelling als unterstützendes und motivierendes Element genutzt werden, indem es identitäts- und sinnstiftende Inhalte bietet. Durch das Erzählen von Geschichten, inspiriert von Erzählmustern, die Kinder und Jugendliche aus ihren Medienwelten kennen, werden abstrakte technische und naturwissenschaftliche Konzepte greifbar, indem sie in emotionale und alltagsnahe Kontexte eingebettet werden. Lernende identifizieren sich mit den narrativen Elementen, erleben Herausforderungen hautnah und entwickeln kreative Lösungsstrategien.
Storytelling kann daher eine kraftvolle Methode sein, um Lernprozesse in der Maker Education sinnhaft und motivierend zu gestalten.
In diesem Beitrag möchten wir zeigen, warum Storytelling ein wirkungsvolles didaktisches Mittel in der Maker Education ist. Er stellt grundlegende Elemente des Storytellings vor, erklärt die Verbindung zwischen narrativen Methoden und Lernprozessen und präsentiert konkrete Beispiele, wie wir Storytelling in Maker-Projekten haben.
Was ist Storytelling?
“Storytelling bedeutet, Geschichten gezielt, bewusst und gekonnt einzusetzen, um wichtige Inhalte besser verständlich zu machen, das Lernen und Mitdenken der Zuhörer nachhaltig zu unterstützen, Ideen zu streuen, geistige Beteiligung zu fördern und damit der Kommunikation eine neue Qualität hinzuzufügen” (Frenzel, Müller & Sottong, 2006, S. 3).
Gemäß der Heldenreise nach Joseph Campbell sind gute Geschichten nach einem bestimmten Muster aufgebaut. Dabei spielen fünf zentrale Elemente eine Rolle:
- Eine positiv besetzte Hauptfigur, mit der sich das Publikum, in unserem Fall die Kinder und Jugendlichen, identifizieren kann.
- Eine emotionale Ausgangssituation, in der die Welt der Hauptfigur ins Wanken gerät.
- Konflikte, Hindernisse und ein Gegenspieler, der nicht zwingend ein Mensch sein muss – auch eine lebensfeindliche Umwelt kann als Herausforderung dienen.
- Eine erkennbare Entwicklung: Die Hauptfigur wächst über sich hinaus und ist am Ende der Geschichte nicht mehr dieselbe Person.
- Ein Höhepunkt: Konfrontation und Überwindung des Gegners.
Warum Storytelling in Lernprozessen, insbesondere im Making?
- Kinder und Jugendliche lieben Geschichten und tauchen gerne in narrative und fantasiereiche Welten ein.
- Geschichten emotionalisieren und fördern so Lernprozesse.
- Sie sind sinn- und identitätsstiftend und verstärken die Motivation.
- Abstrakte, naturwissenschaftliche Konzepte werden greifbar – das Lernen erfolgt spielerisch und unbewusst.
- Gemeinsame Erfahrungen und Emotionen stärken den Zusammenhalt innerhalb der Lerngruppe.
Worauf haben wir bei der Implementierung von Storytelling in unseren Making-Projekten geachtet?
- Passung: Die Geschichte musste zu uns, der Lerngruppe und dem Lerngegenstand/Projekt passen.
- Die fünf Elemente des Storytellings wurden möglichst alle berücksichtigt.
- Roter Faden: Die Geschichte sollte ihr Versprechen einlösen und sich als durchgängiger, roter Faden durch das gesamte Projekt ziehen (Einleitung, Arbeitsphase, Präsentation).
- Immersion: Die Umsetzung sollte möglichst viele Sinne ansprechen (visuell, akustisch, taktil) und sich auch in die Raumgestaltung integrieren.
Mögliche Hilfsmittel für Storytelling
- Storydesign: Ideenentwicklung und konkrete Textgestaltung mit LLMs (z.B. ChatGPT) erarbeiten
- Visuelle Gestaltung: KI-generierte Bilder, Illustrationen und Videos.
- Akustische Gestaltung: Atmosphärische Klänge (z. B. Weltraumgeräusche, Laboratmosphäre).
- Lichtgestaltung: LED-Leuchten, Sternenhimmelprojektor, Dämpfung der Raumbeleuchtung.
- Raumgestaltung: Plakate mit Slogans und Propaganda-Elementen.
- Requisiten: mit Verkleidungen in andere Rollen schlüpfen
Unser didaktischer Ansatz
In unseren Making-Szenarien mit Storytelling-Elementen folgten wir den Konzepten von Ingold und Maurer (2024), die verschiedenen teilstrukturierten Ansätze für Making im Unterricht beschreiben:
- Reverse Engineering: Ein bestehendes Produkt wird nachgebaut, um seine Funktionsweise zu verstehen.
- Produktbezogenes Making: Entwicklung eines neuen Produkts oder einer Produktkategorie.
- Technologiebezogenes Making: Anwendung einer spezifischen Technologie (z. B. Servomotoren, Ultraschallsensoren, 3D-Drucker).
Drei Szenarien für in Storytelling eingebettetes Making
Im Folgenden stellen wir drei beispielhafte Szenarien vor, in denen wir Storytelling eingesetzt haben. Jedes Szenario kombiniert erzählerische Elemente mit handlungsorientierten Aufgaben. Wir skizzieren die jeweilige Story, die konkrete Aufgabe mit den zu erfüllenden Kriterien sowie die eingesetzten Hilfsmittel, die eine immersive Lernerfahrung ermöglichen sollten.
Szenario Finstera: Willkommen in der Dystopie
Die Story
Im technologisch überlegenen Land Innovaria wird ein neu entwickeltes Fahrzeug von Finstera, einem feindlichen Nachbarstaat, gestohlen. Innovarias fähigste Technikexpertinnen und -experten, darunter auch die Teilnehmenden, werden entführt und sollen das Fahrzeug für Finstera nachbauen. Dabei schmieden sie jedoch einen Fluchtplan, um die Technologie zu schützen und Finstera daran zu hindern, sie für seine Zwecke zu missbrauchen.
Hier geht es zum Szenario in voller Länge.
Die Aufgabe
Die Teilnehmenden rekonstruieren möglichst detailgetreu ein selbstfahrendes Fahrzeug nach dem Prinzip des Reverse Engineering. Höhepunkt ist die Flucht aus Finstera über das verminte Grenzgebiet. Das gebaute Fahrzeug muss einen mit Klebeband markierten Korridor auf dem Boden sicher durchqueren.
Hilfsmittel
- KI-generierte Videos: Gegenspieler Fiesidor diktiert seine Befehle.
- Akustische Gestaltung: Geräusche aus einer Laborumgebung.
- Lichtgestaltung: Grelle, kalte Beleuchtung.
- Raumgestaltung: Propaganda-Plakate (z.B. “Es lebe Fiesidor!”)

Szenario Mission Voltura: Lost in Space
Die Story
Im Jahr 2525 ist die Erde auf neue leitfähige Materialien für ihre Stromversorgung und Technologie angewiesen. Eine Expedition wird zum geheimen Planeten Voltura entsandt, um neue Materialien zu erforschen. Doch ein Magnetsturm beschädigt das Raumschiff und zerstört die Messgeräte.
Hier geht es zum Szenario in voller Länge.
Die Aufgabe
Die Expeditionsteilnehmenden entwickeln ein robustes, leichtes Messgerät, um leitfähige Materialien auf Voltura aufzuspüren und die Erde zu retten. Dabei müssen zwei zentrale Anforderungen erfüllt sein:
- Das Gerät muss Stromleitfähigkeit nachweisen und eine Reaktion auslösen, beispielsweise durch Licht, Bewegung oder Klang.
- Es muss kompakt und stabil sein, um auch in schwierigem Gelände eingesetzt werden zu können.
Hilfsmittel
- Akustische Gestaltung: Atmosphärische Klänge
- Lichtgestaltung: Abgedunkelter Raum mit Sternenhimmelprojektion, jede Gruppe erhält eine eigene LED-Leuchte für ihre Arbeit und Präsentation
Szenario Controller: Auftrag vom Game-Designer
Die Story
Lanzelot, der fiktive Entwickler des realen Spiels Chromedino, benötigt dringend Unterstützung, um einen innovativen Controller zu entwerfen. Das Spiel ist programmiert, doch Investoren setzen ihn unter Druck: Ohne funktionierenden Controller droht das Projekt zu scheitern.
Hier geht es zum Szenario in voller Länge.
Die Aufgabe
Die Teilnehmenden helfen als Entwicklerinnen und Entwickler, einen kreativen und funktionalen Controller zu gestalten, der mit einem MakeyMakey verbunden wird. Der Controller muss folgende Anforderungen erfüllen:
- Er muss es ermöglichen, im Spiel zu springen und sich zu ducken.
- Sein Design soll thematisch zum Spiel passen.
- MakeyMakey wird nicht in den Controller integriert, sondern extern angeschlossen, so dass der Fokus auf die kreative Gestaltung gelegt wird.
Hilfsmittel
- Requisiten: Kappe & Sonnenbrille für die Lehrperson – der Spielentwickler tritt persönlich auf!
Fazit
Storytelling macht Lernprozesse in der Maker Education nicht nur verständlicher, sondern auch bedeutsamer. Durch narrative Elemente entstehen persönliche Bezüge zu den Projekten, die die Motivation und Kreativität der Lernenden steigern.
Maker-Projekte werden so zu mehr als bloßen Konstruktionsaufgaben: Sie fördern emotionale, soziale und kognitive Kompetenzen. Wer Storytelling gezielt einsetzt, schafft eine inspirierende Lernumgebung, in denen Fähigkeiten nicht nur erworben, sondern erlebt werden.